Die Wurzelgeschichten entstehen im Auftrag eines alten Eichbaumes und seiner Hüter Robur und Mohnblume. Dieser wunderbare Baum steht in einem Naturschutzgebiet am Greifensee im Zürcher Oberland umgeben von seiner Baumfamilie. Die Hüter überliefern ihre Geschichte in Bildern und Klängen. Die Aufgabe besteht darin, diese in für Menschen geeignete Worte zu fassen.
Leseprobe
Erstes Kapitel: Lernen
Robur, unser Eichling und ich begannen eine Wald- und Wiesenlandschaft zu hüten, die noch völlig karg und leer war. Die langanhaltenden, heissen Feuer hatten die obersten Schichten des Bodens verbrannt. Der Mutterboden musste sich erst wieder entwickeln. Die Asche und verkohlten Überreste der Bäume, Büsche und Tiere waren eine gute Grundlage, doch ein gesunder nährstoffreicher Wald- und Wiesenboden braucht Zeit, um sich zu entwickeln.
Das Erbe der Menschen schien eine unüberwindbare Hürde zu sein. Die Menschen hatten den Boden aufgerissen, scharfe Furchen zogen sich wie Wellen über die Erde. In den Tälern floss das Wasser ohne Halt davon und trug alles mit sich fort. Die obere Schicht des Bodens verschwand und die jungen Pflänzchen fanden keinen Halt. Nach dem Wasser kam die Trockenheit. Der nackte Boden warf sich auf und riss in viele kleine Stücke. Der Wind kam und trug ihn in Staubwolken davon. Als es dann wieder regnete, floss das Wasser in die Risse und konnte so unter die Oberfläche in den Boden hinein. Dieser schwemmte auf und wurde wieder davongetragen.
Robur und ich hatten eine kleine Höhle in unserer Anhöhe entdeckt, die tief ins Innere der Erde führte. Wind und Wasser konnten dieser Höhle nichts anhaben. Dorthin riefen wir die Hüter und Hüterinnen, aber auch die kleinen Tiere und Insekten. Selbst die Vögel kamen. Sie sassen vor der Höhle. Wir wollten wissen, wie wir die Bahn der Furchen verändern können. Die Vögel berichteten, dass sie die grossen Tiere, Wildschweine, Hirsche und Rehe, beobachtet hätten, wie diese den Boden mit ihren Rüsseln umwühlen und mit ihren Hufen stampfen, sich im Staub wälzen und im Schlamm suhlen. Sie legen sich zum Wiederkäuen nieder. Die Oberfläche des Bodens ändere sich dadurch. Wir baten die Vögel herauszufinden, welche Pflanzen wachsen müssten, damit die grossen Tiere zu uns kamen. Schon bald waren sie zurück und erklärten, dass es bestimmte Gräser und Kräuter, aber auch Beeren, Pilze und Eicheln waren, die diese Tiere sehr gern frassen. Wir baten nun die kleinen Tiere, Mäuse, Hamster und Eichhörnchen uns Samen dieser Pflanzen heranzutragen. Die Zusammensetzung des Bodens musste ebenfalls stimmen, sonst würden die Pflanzen nicht wachsen. Hier halfen uns die Tiere, die im Boden lebten. Maulwürfe, Regenwürmer und viele andere wühlten den Boden auf, trugen anderen Boden heran. Doch wo waren die besten Plätze? Welche Pflanzen gediehen gut nebeneinander? Wir wussten noch zu wenig über dieses Zusammenspiel. Und so reiste ich zu Roburs Mutterbaum, um das Leben auf einer Wiese kennenzulernen. Robur blieb bei unserem Eichling und den jungen Baumhütern. Er schlug vor, dass ich mit Sciurus, dem Eichhörnchen bis zur Wiese reisen sollte. Die kleine Maus würde mich dann bis zu seinen Eltern tragen. Die Traumsicht verband uns miteinander und so fiel uns die Trennung nicht schwer. Auch würde Robur alles gleichzeitig mit mir lernen. Er begleitete mich bis zur grossen Buche, deren Hüter uns sehr verbunden waren.